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Fertige Demokratien

Die ersten Demokratien hatten es noch schwer. Die Revolutionäre mussten erst herausfinden, wie Republik und Demokratie funktionieren. Als ersten Schritt mussten sie eine Verfassung verhandeln und diese mit Leben füllen. Das hat manchmal schlechter und manchmal sehr gut funktioniert. Heute haben es Revolutionäre einfacher. Man kann aus den Erfahrungen alter Demokraten lernen. Der einfachste Weg zu einer funktionierenden Republik ist es, einfach eine oder aus einer bereits funktionierenden Verfassung abzuschreiben. Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick über verschiedene Formen von Republik und Demokratie. Junge Revolutionäre können so die passende Demokratieform für ihren künftigen Staat finden.

1. Die föderale, repräsentative Demokratie: Die Bundesrepublik

Die Bundesrepublik hat ein föderales Parlament, den Bundestag, und die Parlamente seiner Mitgliedstaaten. Die gemeinsamen Angelegenheiten aller werden im Bundestag diskutiert und aufgrund dieser Diskussionen gegebenenfalls Bundesgesetze erlassen. Die zweite Kammer heißt Bundesrat und ist mit Vertretern der Länder besetzt. Angelegenheiten der Länder bestimmen diese selbst und erlassen Landesgesetze. Staatsoberhaupt ist der Bundespräsident, der vornehmlich repräsentative Aufgaben übernimmt. Die Staatsgewalt wird vom Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten und Bürgermeistern der Länder geleitet. Die Bürger wählen lediglich die Mitglieder der Parlamente. Das höchste Amt im Staat ist übrigens das des Bundestagspräsidenten. Dieses System funktioniert nach den Revolutionen von 1848 und 1918 seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949, also seit 75 Jahren.

2. Die föderale Präsidialdemokratie: Die USA

Die bekannteste und älteste verfasste Föderaldemokratie sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Amerikaner wählen dazu ein Bundesparlament, das Repräsentantenhaus, und entsenden ferner Senatoren als Ländervertreter in den Senat des Bundes. Die Amerikaner wählen ihren Präsidenten selbst. Er hat weitreichende Initiativ- und Leitungsbefugnisse und ist Oberbefehlshaber der Armee. Seine Gesetzesvorschläge und alle bedeutenden Entscheidungen bedürfen der Zustimmung der Parlamente. Die Bundesstaaten haben eigene weitreichende Gesetzgebungsbefugnisse. Dieses System funktioniert seit der Unabhängigkeitserklärung von 1776 und hat einen Bürgerkrieg überstanden.

3. Die zentrale Präsidialdemokratie: Frankreich

Auch die Franzosen wählen ihren Präsidenten und die Nationalversammlung direkt. Die Departements entsenden Vertreter in eine weitere Kammer, den Senat. Gesetze und alle wesentlichen Entscheidungen des Präsidenten bedürfen der Zustimmung der Parlamente. In Frankreich gelten vergleichsweise viele Gesetze für das gesamte Staatsgebiet. Die Regionen Frankreichs haben dennoch ihren eigenen Charakter. Die Franzosen sind vergleichsweise freudig sich öffentlich zu versammeln, wenn die Obrigkeit es ihnen nicht recht macht. Die Fünfte Republik besteht in Frankreich seit 1958. Seit der Französischen Revolution von 1789 konnte sich kein absoluter Herrscher mehr dauerhaft über die Franzosen setzen.

4.           Demokratien mit König und konstitutionelle Monarchien

Demokratien mit König sind möglich. In mehreren Staaten, beispielsweise im Nord-Westen Europas sind parlamentarische Gesetzgebung, eine zivile Staatsleitung und Gewaltenteilung mit Rechtsprechung ebenso selbstverständlich. Den dortigen Königen sind vor allem patriotische und repräsentative Aufgaben verblieben. Von auf diese Art und Weise einigenden, freundlichen Königen sind die Menschen dort offenbar ungestört.

5.           Direkte, föderale Demokratie: Die Schweiz

Die Schweizer hielten eher als Staatenbund organisiert schon seit dem späten Mittelalter gegen die Monarchen in Nachbarländern zusammen. Heute sind die Schweizer als Bundesstaat organisiert. Die Regierung namens Bundesrat ist meist konsensual mit Vertretern aus allen wesentlichen Parteien besetzt. Nach außen einig und stark mit der Marke Neutralität auftretend, im inneren konsensual und stark regional auf die Kantone bedacht, werden in die Schweiz viele Gesetze durch direkte Volksabstimmung erlassen. Die Schweiz verfügt schon lange über eine demokratische Tradition, schon seit einigen hundert Jahren.

Ausblick

Klassische Revolutionäre schreiben Verfassungen noch selbst. Der pragmatische Repubikgründer kann sich heute an einer Vielzahl von demokratischen Verfassungen orientieren. Auch darf man sich nicht unterkriegen lassen. Franzosen und Deutsche brauchten mehrere Versuche, ihre Art des Zusammenlebens zu finden. Amerikaner und Schweizern gelang es ziemlich durchgängig, im Bewusstsein einer gemeinsamen Sache Herausforderungen zu meistern.

Toleranz 

Was ist eigentlich Toleranz?

Wenn man es mag oder sogar liebt, muss man es nicht tolerieren. Denn man mag es bereits. Toleranz ist also eine Haltung, die sich auf Zustände bezieht, die einem nicht bereits wegen Mögen oder Lieben angenehm sind.

Grenze findet die Hinnahme des nicht Gewünschten bei denen, die diese Haltung der Toleranz nur für sich in Anspruch nehmen, ohne sie selbst anzubieten. Wenn man jemanden toleriert, der einen selbst nicht toleriert, war es das bald mit Toleranz. Meinungsfreiheit funktioniert nur, wenn beide Seite zu Wort kommen. Wenn man Menschen toleriert, die die Trennung von Kirche und Staat nicht achten, entzöge man der Religionsfreiheit (als interreligiöses Toleranzgebot) die Grundlage. Toleranz gegenüber Extremisten wäre die Aufgabe des Gemäßigten (als Grundlage der pluralen demokratischen Ordnung).

Was ist also Toleranz? Toleranz gegenüber Intoleranten wäre jedenfalls Selbstaufgabe. Das richtige Verhältnis von Toleranz haben wir von 1989 bis 2019 vorbildlich gelebt. Daran erinnert dieser Artikel. Toleranz funktioniert am besten von allen für alle. Wir können das.

Der Banause im UrhG

Der kunsthistorische Begriff des Banausen findet ein entsprechendes Institut im Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG).

Meine Nachbarin hat das Mädchen mit den Perlenohrringen aufgehangen in ihrem Schaufenster. Vorstehender Satz ist leider nicht lediglich ungeschickt formuliert. Bildlich gesprochen hat sie es wirklich getan – Jemand hat das Mädchen angekrizelt.

Im Schaufenster meiner Nachbarin hängt also ein leicht vergrößerter Nachdruck auf Leinwand des Gemäldes „Meisje met de parel“ von Jan Vermeer – mit Kommentaren und weiteren Bearbeitungen, mit grobstrichigem Digitalpinsel aufgepixelt. Insbesondere hat der Bearbeiter auf dem Werk Vermeers auf den Augen der Abgebildeten gekritzelt. Das geht mir persönlich etwas weit – diplomatisch gesprochen. In Wahrheit denke ich mir: „Banause!“. Es steht dringend zu vermuten, auch Vermeer wäre nicht begeistert, gelinde gesagt.

Grundsätzlich lässt das deutsche Urheberrecht Bearbeitungen älterer Werke zu. Ausdrücklich weist das Gesetz daneben gar auf die Möglichkeit von Karikaturen und Parodien. Dabei gelten selbstverständlich bereits die dem Urheberrechtsgesetz innewohnenden Schranken, wie beispielsweise das Urheberpersönlichkeitsrecht.

Abschließend könnte ich hier nicht die Rechtmäßigkeit der gesamten Bearbeitung beurteilen. Dazu müsste man den Rechtsnachfolgern einerseits und dem Bearbeiter anderseits Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Derzeit tendiere ich zu der Einschätzung, dass die Erben Vermeers die überwiegenden Erfolgsaussichten in einer betreffenden Rechtsstreitigkeit hätten. Es ist schwer zu ermitteln, wie viel Humor Vermeer hatte. Das Bild offenbart jedoch höchste Sorgfalt und viel Einfühlungsvermögen. Vermeer mochte das Mädchen und ihr auf den Augen zu pinseln würde ihn ärgern. Das geht mir etwas zu weit.

Ohne das Gesamtergebnis vorwegzunehmen, kann man aber bereits sagen: Banause ist jedenfalls, wer das Urheberpersönlichkeitsrecht in ästhetischer Hinsicht grob verletzt. Der Ausspruch von Kunstfreunden „Banause“ findet also durchaus ein Institut zu seiner rechtlichen Würdigung im Gesetz. Wer also überlegt, auf ein Werk eines Künstlers aufzusetzen, sei erinnert: Achten Sie den Künstler und sein Werk.  

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Diese Einstellung ist wirksam gegenüber dem Betreiber der besuchten Homepage. Dies ergibt sich nun auch aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. August 2023, 16 O 420/19.

Das Urteil entspricht der konsequenten Rechtsprechungstradition, nach der der Einzelne, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen kann (Bundesverfassungsgericht, Urteil des Ersten Senats vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83).

Meinungsfreiheit ohne Gewalt

Meinungen sind nicht wahr oder falsch. Die Frage ist nicht, was man sagen darf. Meinungsfreiheit misst erst einmal nicht, ob ein Inhalt zulässig ist oder ob man einen Inhalt verbieten oder löschen darf. Der Grundsatz ist die freie Rede. Die richtige Antwort auf eine Meinung, die man nicht teilt, ist der Widerspruch.

Mindeststandards an eine Diskussion wie Freiheit von Beleidigungen, Beschimpfungen oder Bedrohungen sind selbstverständlich. Wenn ein Inhalt eine strafbare Beleidigung enthält, ordnet das zuständige Zivilgericht die Löschung oder gar Unterlassung der Äußerung an. Ziel einer Diskussion ist nicht, dass der Lauteste siegt, sondern die mit wahren Inhalten überzeugende Meinung durchdringt.

Auch neue Entscheidungen der Gerichte sind insoweit in der Öffentlichkeit fehlinterpretiert worden. Es gelten nach wie vor die gleichen Grundsätze, vorliegend insbesondere: Meinungsfreiheit, in dubio pro reo, die Auslegung von Willenserklärung nach dem Empfängerhorizont und die allgemeine zivilprozessuale Beweislastregel. Daran haben auch neuere Entscheidungen der Obergerichte nichts geändert.

Das zivilprozessuale Zusammenspiel dieser 4 Grundsätze soll sicherstellen, dass wir frei miteinander reden können. Für die Einzelheiten kann auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen werden. An dieser Stelle möchte ich nur an ein paar Selbstverständlichkeiten erinnern:

1.           Selbstverständlichkeiten

Eine Diskussion funktioniert fair. Ich verzichte auf die vollständige Aufzählung störender Verhaltensweisen. Eine Diskussion funktioniert am besten gemäßigt, in Ton, Sprache wie Inhalt.

2.           Meinungsfreiheit hat kein bestimmtes inhaltliches Programm

Meinungsfreiheit ist ein Mindeststandard, um funktionierende inhaltliche Diskussionen zu ermöglichen. Für Normalbürger ist der Wortlaut von Art. 5 Grundgesetz ein guter Einstieg in das Thema: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“

Meines Erachtens wurde das Engagement der Europäer für Demokratie, soziale Marktwirtschaft und Menschenrechte jedenfalls missverstanden und uns ein weitergehendes inhaltliches Programm unterstellt. Die Konzepte, die EU und NATO ausmachen sind Demokratie und Menschenrechte. Schon die sozialen und wirtschaftlichen Konzepte der Staaten sind ähnlich, aber nicht identisch. Und auch einzelne Mitglieder unseres Clubs müssen sich erinnern lassen: Menschenrechte sind nicht verhandelbar.

3.           Meinungsfreiheit braucht Standpunkte und Kompromisse

Einerseits muss man Standpunkte haben. Anderseits darf man nicht davon abgehalten werden, sie zu sagen. Das Zivilrecht stellt sogar ausdrücklich klar, dass Erklärungen, die durch eine Täuschung oder Drohung abgegeben wurden, unwirksam oder zumindest anfechtbar sind. Soviel ist also klar: Täuschung und Drohung sind verboten. Soviel nochmal zu Mindeststandards.

Im parlamentarischen Verfahren werden – wenn man sich nicht gerade einig ist – Kompromisse eingegangen. Auch als Grundlage dieser braucht man ehrliche Standpunkte.

Also: Sagen Sie Ihre Meinung. Wie sie es nicht tun sollten, habe ich Ihnen ja schon geschrieben. Beispielhaft mache ich einfach mal ein paar meiner Standpunkte klar.

– Ich bin für freie Rede, aber gegen Beschimpfungen anderer. Es ist Rechtsmissbrauch, wenn Sie sich eine Äußerung so zu recht legen, dass sie jemanden verletzen. Vielleicht haben Sie Glück und werden nicht erwischt, weil man Ihnen nicht in den Kopf sehen kann. Rechtmäßig wird Ihre Äußerung dadurch nicht.

– Toleranz bedeutet nicht, dafür zu sein. Toleranz ist etwas Anderes als Mögen. Dennoch bin ich nicht für die Diskriminierung von Minderheiten. Toleranz bedeutet, Andersdenkende nicht zu beschimpfen (oder sonst zu benachteiligen).

– Alle demokratischen Verfassungen sehen den Allgemeinen Gleichheitssatz („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ – Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) vor. Dennoch brauchen Dinge Zeit. In den Vereinigten Staaten besteht seit 1789 Demokratie. Das Allgemeine Wahlrecht wurde den Frauen dort erst 1920 gewährt. Ein weiteres Beispiel für einen poltischen Entwicklungsprozess ist auch das Zusammenwachsen der europäischen Staaten, insbesondere in den Vergangenen 70 Jahren. Ein Schritt nach dem anderen. Viele jüngere Demokratien haben gleich mit Allgemeinem Wahlrecht angefangen.

– Ich wünsche allen Menschen weltweit, dass Sie zu Hause in einer Demokratie und in einer sozialen Marktwirtschaft leben können. Demokratie lebt von Mitmachen und dem Raum dazu.

Dass ganz Deutschland Demokratie kann, haben wir insbesondere von 1989 bis 2019 gezeigt. Großen gesellschaftlichen Fortschritt haben wir in der Zeit der ersten Legislaturperiode der Rot-Grünen Koalition mit Gerhard Schröder erlebt. Ich halte es nicht für richtig, dass insbesondere seit September 2001 auch in einzelnen Bereichen Menschenrechte eingeschränkt wurden. Ich habe in der Schule gelernt, wie man eine freie und faire Diskussion geführt. So ist es richtig. Meinungsfreiheit dient der Diskussion. Eine Diskussion funktioniert nur ohne Beschimpfen, Beleidigen und Bedrohen.

post scriptum: Für Bürger soll dieser Beitrag ab von den rechtswissenschaftlichen Details einfache Ideen zum Sagen seiner Meinung geben. Er schließt auch daher mit der Methode des Beispiels ab. Meinungsfreiheit und Toleranz sind zentrale Teile der Ideen Demokratie und Menschenrechte. In internationaler Hinsicht mahnt er Strategie und Taktik an – ein Schritt nach dem anderen.

Ferner war mit den neuen Beschwerdeverfahren (beispielsweise nach dem NetzDG, aber auch dem vertraglichen) die Hoffnung verbunden, dass Beleidigungen und Beschimpfungen aus dem Netz verschwinden, ohne dass es zu Einschränkungen der Meinungsfreiheit kommt. Der vorstehende Leitfaden dient der Fokussierung der Diskussion auf den Inhalt.

[Aktualisierte Fassung vom 20. Oktober 2022]

Muenchen.de

Macht die Stadt noch kommunale Selbstverwaltung oder schon Presse? Nach der Stadt Dortmund stand nun auch die Stadt München auf dem Prüfstand.

„Mit ihrem Geschäftsmodell eines kostenlosen Stadtportals, das sowohl redaktionelle Beiträge als auch kommerzielle Anzeigen enthält, stellt sich die Beklagte in Wettbewerb zu den Klägerinnen, die in München Tageszeitungen herausgeben und/oder Online-Nachrichtenportale bereitstellen, die jeweils ebenfalls kommerzielle Anzeigen enthalten.

Der für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses erforderliche wettbewerbliche Bezug liegt schon deswegen vor, weil sowohl das Stadtportal der Beklagten als auch die Angebote der Klägerinnen über einen Anzeigenteil verfügen und damit beide Parteien um Anzeigenkunden werben (vgl. BGH, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 59] – Crailsheimer Stadtblatt II). Ein wettbewerblicher Bezug besteht aber auch mit Blick auf die vom Berufungsgericht festgestellten redaktionellen Inhalte des Stadtportals, bei denen es sich um Themen handelt, die typischerweise von der Presse besetzt werden.“ (BGH, I ZR 152/21, Rn. 21 f.)

„Keinesfalls darf die kommunale Publikation den Lesern eine
Fülle von Informationen bieten, die den Erwerb einer Zeitung – jedenfalls subjektiv entbehrlich macht. Je deutlicher – in Quantität und Qualität – eine kommunale Publikation Themen besetzt, deretwegen Zeitungen gekauft werden, desto wahrscheinlicher ist der Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit einhergehende, dem Institut der freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten (vgl. BGH, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 40] Crailsheimer Stadtblatt II; GRUR 2022, 1336 [juris Rn. 52] – dortmund.de)“ (BGH, I ZR 152/21, Rn. 41)

Nach der Entscheidung Dortmund.de (siehe auch) differenziert das Muenchen.de-Urteil die maßgebenden Kriterien der wertenden Gesamtbetrachtung von Stadtportalen anhand des UWG weiter aus.

Recht ungeschickt

Wer meint, Versandkosten in Höhe von 4,90 Euro seien Wucher, soll dies seinem Geschäftspartner öffentlich unterstellen dürfen – so der BGH. Diese Entscheidung sollten wütende Kunden jedoch nicht als wegweisend missverstehen.

Der Fall ist schnell erzählt:

„Der Beklagte erwarb von der Klägerin über die Internetplattform eBay vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 € brutto. Davon entfielen 4,90 € auf die dem Beklagten in Rechnung gestellten Versandkosten.“

Der Bundesgerichtshof hat die Klage des Verkäufers gegen die öffentliche schriftliche Anschuldigung des Käufers, die Versandkosten seien Wucher, abgewiesen:

„Die Grenze zur Schmähkritik ist durch die Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ nicht überschritten. Wegen seiner das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkenden Wirkung ist der Begriff der Schmähkritik nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll.

Daran fehlt es hier. Bei der Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ steht eine Diffamierung der Klägerin nicht im Vordergrund. Denn der Beklagte setzt sich – wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form – kritisch mit einem Teilbereich der gewerblichen Leistung der Klägerin auseinander, indem er die Höhe der Versandkosten beanstandet. Die Zulässigkeit eines Werturteils hängt nicht davon ab, ob es mit einer Begründung versehen ist.“ (Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. September 2022, Pressemitteilung Nr. 141/2022)

Eine Einschätzung

Versichterten Paketversand bekommen Sie in einer Filiale der Deutschen Post ab 6,99 Euro für bis zu 5 kg Gewicht. Versand per Brief gibt es günstiger. Recherchen und Angaben zu weiteren Bestandteilen der Versandkosten erspare ich Ihnen. Vorliegend war jedenfalls die Höhe der Versandkosten vor Vertragsschluss angegeben.

Als Käufer wäre man nicht gut beraten, den mit der Entscheidung des BGH anscheinend gegebenen Spielraum auszunutzen. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Meinungsfreiheit beruht vor allem auf öffentlichen mündlichen Äußerungen auf politischen Veranstaltungen. Es ist zweifelhaft, ob man Wertungen aus diesem Kontext undifferenziert auf die öffentliche schriftliche Bewertung zivilrechtlicher Vertragsverhältnisse übertragen sollte. Es geht bei Bewertungen auf Verkaufsseiten eben um etwas Anderes als die Rettung der Demokratie vor Extremisten. Bedurfte es vorliegend wirklich der schriftlich dauerhaften öffentlichen Anschuldigung, um seine Rechte durchzusetzen oder seine Interessen zu wahren?

Bei vertraglichen Verhältnissen verbleibt es bei der allgemeinen Beweislastregel. Selbstjustiz durch öffentliche Anprangerung ist dem europäischen Vertragsrecht fremd.

Zeit zum Lesen

Man kann nicht (sachgerecht und vollständig) zu etwas Stellung nehmen, das man noch nicht einmal in Ruhe vollständig lesen (und vielleicht sogar einmal überdenken) konnte. Daher schließe ich mich nachstehender Erklärung des Deutschen Anwaltvereins an:

„Schneller ist nicht besser! Gute Gesetz­gebung kann nur funktio­nieren, wenn man sich die Zeit nimmt, das Gesetz zu prüfen und zu beraten. Wir beobachten nicht erst unter der aktuellen Regierung eine übertriebene Beschleu­nigung der parlamen­ta­rischen Prozesse, die der Qualität der Gesetzestexte schadet. Nicht nur der Legislative wird zu wenig Zeit gegeben, sondern auch den Verbänden bei deren Beteiligung. Das führt dazu, dass bei der Verbän­de­be­tei­ligung für Stellung­nahmen im Extremfall Fristen von wenigen Tagen eingeräumt werden. Bedenkliche Tiefpunkte waren in der laufenden Legisla­tur­periode das Sankti­ons­durch­set­zungs­gesetz II mit einer Stellung­nah­mefrist von eineinhalb Tagen und das Strompreis­brem­se­gesetz, für dessen Kommen­tierung lediglich zwanzig Stunden eingeräumt wurden. Dabei werden Gesetze besser, wenn ausreichend Zeit für die Beteiligung der Praxis und der Beratung im Bundesrat eingeräumt werden. Der DAV bemängelte dies bereits bei Vorgän­ger­re­gie­rungen.

Die Verbän­de­an­hörung ist in der Geschäfts­ordnung der Bundes­mi­nis­terien verankert, um das Einfließen von Experten- und Fachwissen in die Gesetz­gebung zu gewähr­leisten. Damit das funktio­nieren kann, muss ihr der entspre­chende Raum gegeben werden. Sie als reine Formalie abzutun, wird der Sache nicht gerecht und resultiert in unausge­reiften Gesetzen.“

(Deutscher Anwalt­verein [DAV], Statement vom 06. Juli 2023)

How 2: Street Art

Street Art geht schön (im Sinne von aesthetisch). Ein Beitrag für mehr und bessere Kunst im öffentlichen Raum. Das geht auch ganz legal.

Street Art wird oft lediglich in geschmacklicher Hinsicht abgelehnt. Insbesondere Freunde anderer künstlerischer Gattungen tun Street Art gerne als von vorn herein untunlich oder gar illegal ab. Das ist in zweierlei Hinsicht falsch. Schon unter dem kunst(-historischen) Gesichtpunkt ist es falsch. Als erste Formen menschlich-bewussten Gestaltens in Form von Kunst werden gerne nicht frei von Stolz Steingravuren und Höhlenmalereien als Beispiel benannt. Bei dieser Parallelität in der Form fragt man sich schon, wie die gleichen Personen Street Art geringschätzig betrachten können. Aber um die Widerspruchsfreiheit der Wertungen einen ganz anderen Wissenschaft soll es hier nicht gehen. In rechtswissenschaftlicher Hinsicht kann man Street Art auch legal erstellen.

Die Konfliktlage in Sachen Street Art besteht – gemessen an den höchsten Wertungen, unserer Verfassung – meistens zwischen Kunstfreiheit einerseits und der Eigentumsfreiheit andererseits. Der eine will Kunst machen. Der andere findet vielleicht: Aber nicht auf meinem Eigentum. Dabei lässt sich dieser Konflikt vermeiden. Auch geht StreetArt ohne Ehrverletzungen.

  1. öffentlich-rechtlich freigegebene Flächen

Im Ruhrgebiet gibt es in manchen Städten durch Allgemeinverfügung freigegebene Flächen. Es kann verschiedene Motivationen der Stadt geben, Flächen in ihrem Eigentum zur Bemalung durch Sprühdosen freizugeben: Förderung der Kunst (und/oder des künstlerischen Nachwuchses), Schaffung legaler Räume als Kriminalitätsprävention, kostengünstige Verschönerung von unschönen Ecken bis hin zur Kunst- und Wirtschaftsförderung für professionelle Künstler und Handwerker.

2. vertraglich freigegebene Flächen

Auch manche Privatpersonen, insbesondere Unternehmen, geben Flächen frei. Eine Wand, die ohnehin mal wieder gestrichen werden könnte oder die einem vielleicht unerheblich scheint, kann man auch freigeben. Es muss aber nicht um egal oder kostenlosen Anstrich gehen. Als Form von Verständnis für junge Künstler oder als eine Form sozialen Engagements in der Kriminalitätsverhinderung sind Freigaben von Wänden begrüßenswert. Manche Unternehmen entschließen sich auch für Werbung durch oder in Zusammenarbeit mit StreetArt-Künstlern.

Jedenfalls lohnt es sich vorher zu fragen. Vielleicht findet der Eigentümer das Vorhaben ok. Vielleicht kann man es gemeinsam weiter entwickeln. Von einfacher Erlaubnis, über Aufwandsentschädigung bis hin zu Honorartätigkeiten ist vieles möglich. Manche StreetArt-Künstler bringen es bis zu Aufträgen von Kunstfreunden, Unternehmen, Werbeagenturen oder eigenen Ausstellungen.

3. Einhaltung des insbesondere strafrechtlichen Rahmens

Wie Sie den vorstehenden Passagen entnehmen können, mag ich StreetArt nicht deshalb, wenn oder weil sie illegal wäre. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gibt schon Möglichkeiten ungefragt StreetArt zu machen, ohne das es illegal ist. Die wichtigsten Vorschriften, die man bei ungefragter StreetArt bedenken sollte, sind die Sachbeschädigung und das Recht der persönlichen Ehre (insbesondere in Form der Beleidigungsdelikte). Ich verrate Ihnen hier nur so viel: Es gibt – meist respektvolle (!) – Formen ungefragter und legaler Street Art.

Ich freue mich über ästhetische und freundliche StreetArt. Der vorstehende Beitrag mag insbesondere jungen Künstlern Ideen geben, wie sie sich und ihre Form der Kunst auch ganz legal ausleben können.

Zu Luftbildaufnahmen

Darf man aus der Luft erstellte Bilder von Gebäuden online stellen?

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass mittels einer Drohne gefertigte Bildaufnahmen nicht von der urheberrechtlichen Panoramafreiheit gedeckt sind (Urteil vom 27. April 2023, Az. 4 U 247/21).

Das Landgericht Franfurt meint hingegen, dass die öffentlich Zugänglichmachung einer Luftbildaufnahme [eines architektonischen Werkes] durch § 59 Abs. 1 UrhG gedeckt ist (Urteil vom 25. November 2020, Az. 2-06 O 136/20). Bei der richtlinienkonformen Auslegung müsse auch die technische Entwicklung der letzten Jahre berücksichtigt werden (Entscheidungsgründe, Nr. 2, lit. b.).

Es bleibt spannend, was der BGH und der EuGH gegebenenfalls zu der Rechtsfrage sagen.