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Zeit zum Lesen

Man kann nicht (sachgerecht und vollständig) zu etwas Stellung nehmen, das man noch nicht einmal in Ruhe vollständig lesen (und vielleicht sogar einmal überdenken) konnte. Daher schließe ich mich nachstehender Erklärung des Deutschen Anwaltvereins an:

„Schneller ist nicht besser! Gute Gesetz­gebung kann nur funktio­nieren, wenn man sich die Zeit nimmt, das Gesetz zu prüfen und zu beraten. Wir beobachten nicht erst unter der aktuellen Regierung eine übertriebene Beschleu­nigung der parlamen­ta­rischen Prozesse, die der Qualität der Gesetzestexte schadet. Nicht nur der Legislative wird zu wenig Zeit gegeben, sondern auch den Verbänden bei deren Beteiligung. Das führt dazu, dass bei der Verbän­de­be­tei­ligung für Stellung­nahmen im Extremfall Fristen von wenigen Tagen eingeräumt werden. Bedenkliche Tiefpunkte waren in der laufenden Legisla­tur­periode das Sankti­ons­durch­set­zungs­gesetz II mit einer Stellung­nah­mefrist von eineinhalb Tagen und das Strompreis­brem­se­gesetz, für dessen Kommen­tierung lediglich zwanzig Stunden eingeräumt wurden. Dabei werden Gesetze besser, wenn ausreichend Zeit für die Beteiligung der Praxis und der Beratung im Bundesrat eingeräumt werden. Der DAV bemängelte dies bereits bei Vorgän­ger­re­gie­rungen.

Die Verbän­de­an­hörung ist in der Geschäfts­ordnung der Bundes­mi­nis­terien verankert, um das Einfließen von Experten- und Fachwissen in die Gesetz­gebung zu gewähr­leisten. Damit das funktio­nieren kann, muss ihr der entspre­chende Raum gegeben werden. Sie als reine Formalie abzutun, wird der Sache nicht gerecht und resultiert in unausge­reiften Gesetzen.“

(Deutscher Anwalt­verein [DAV], Statement vom 06. Juli 2023)

How 2: Street Art

Street Art geht schön (im Sinne von aesthetisch). Ein Beitrag für mehr und bessere Kunst im öffentlichen Raum. Das geht auch ganz legal.

Street Art wird oft lediglich in geschmacklicher Hinsicht abgelehnt. Insbesondere Freunde anderer künstlerischer Gattungen tun Street Art gerne als von vorn herein untunlich oder gar illegal ab. Das ist in zweierlei Hinsicht falsch. Schon unter dem kunst(-historischen) Gesichtpunkt ist es falsch. Als erste Formen menschlich-bewussten Gestaltens in Form von Kunst werden gerne nicht frei von Stolz Steingravuren und Höhlenmalereien als Beispiel benannt. Bei dieser Parallelität in der Form fragt man sich schon, wie die gleichen Personen Street Art geringschätzig betrachten können. Aber um die Widerspruchsfreiheit der Wertungen einen ganz anderen Wissenschaft soll es hier nicht gehen. In rechtswissenschaftlicher Hinsicht kann man Street Art auch legal erstellen.

Die Konfliktlage in Sachen Street Art besteht – gemessen an den höchsten Wertungen, unserer Verfassung – meistens zwischen Kunstfreiheit einerseits und der Eigentumsfreiheit andererseits. Der eine will Kunst machen. Der andere findet vielleicht: Aber nicht auf meinem Eigentum. Dabei lässt sich dieser Konflikt vermeiden. Auch geht StreetArt ohne Ehrverletzungen.

  1. öffentlich-rechtlich freigegebene Flächen

Im Ruhrgebiet gibt es in manchen Städten durch Allgemeinverfügung freigegebene Flächen. Es kann verschiedene Motivationen der Stadt geben, Flächen in ihrem Eigentum zur Bemalung durch Sprühdosen freizugeben: Förderung der Kunst (und/oder des künstlerischen Nachwuchses), Schaffung legaler Räume als Kriminalitätsprävention, kostengünstige Verschönerung von unschönen Ecken bis hin zur Kunst- und Wirtschaftsförderung für professionelle Künstler und Handwerker.

2. vertraglich freigegebene Flächen

Auch manche Privatpersonen, insbesondere Unternehmen, geben Flächen frei. Eine Wand, die ohnehin mal wieder gestrichen werden könnte oder die einem vielleicht unerheblich scheint, kann man auch freigeben. Es muss aber nicht um egal oder kostenlosen Anstrich gehen. Als Form von Verständnis für junge Künstler oder als eine Form sozialen Engagements in der Kriminalitätsverhinderung sind Freigaben von Wänden begrüßenswert. Manche Unternehmen entschließen sich auch für Werbung durch oder in Zusammenarbeit mit StreetArt-Künstlern.

Jedenfalls lohnt es sich vorher zu fragen. Vielleicht findet der Eigentümer das Vorhaben ok. Vielleicht kann man es gemeinsam weiter entwickeln. Von einfacher Erlaubnis, über Aufwandsentschädigung bis hin zu Honorartätigkeiten ist vieles möglich. Manche StreetArt-Künstler bringen es bis zu Aufträgen von Kunstfreunden, Unternehmen, Werbeagenturen oder eigenen Ausstellungen.

3. Einhaltung des insbesondere strafrechtlichen Rahmens

Wie Sie den vorstehenden Passagen entnehmen können, mag ich StreetArt nicht deshalb, wenn oder weil sie illegal wäre. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gibt schon Möglichkeiten ungefragt StreetArt zu machen, ohne das es illegal ist. Die wichtigsten Vorschriften, die man bei ungefragter StreetArt bedenken sollte, sind die Sachbeschädigung und das Recht der persönlichen Ehre (insbesondere in Form der Beleidigungsdelikte). Ich verrate Ihnen hier nur so viel: Es gibt – meist respektvolle (!) – Formen ungefragter und legaler Street Art.

Ich freue mich über ästhetische und freundliche StreetArt. Der vorstehende Beitrag mag insbesondere jungen Künstlern Ideen geben, wie sie sich und ihre Form der Kunst auch ganz legal ausleben können.

Zu Luftbildaufnahmen

Darf man aus der Luft erstellte Bilder von Gebäuden online stellen?

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass mittels einer Drohne gefertigte Bildaufnahmen nicht von der urheberrechtlichen Panoramafreiheit gedeckt sind (Urteil vom 27. April 2023, Az. 4 U 247/21).

Das Landgericht Franfurt meint hingegen, dass die öffentlich Zugänglichmachung einer Luftbildaufnahme [eines architektonischen Werkes] durch § 59 Abs. 1 UrhG gedeckt ist (Urteil vom 25. November 2020, Az. 2-06 O 136/20). Bei der richtlinienkonformen Auslegung müsse auch die technische Entwicklung der letzten Jahre berücksichtigt werden (Entscheidungsgründe, Nr. 2, lit. b.).

Es bleibt spannend, was der BGH und der EuGH gegebenenfalls zu der Rechtsfrage sagen.

Digital – Vorwärts ohne zu vergessen

Eine Musikkassette für Freunde aufnehmen oder ihnen CDs leihen. Den Lieblingssong aus dem Radio aufnehmen und seiner Freundin schenken. Das war in den 1990er Jahren selbstverständlich. Digital technisch kein Problem seit MP3 und MP4. Privatkopierfreiheit und Verkörperte Nutzungsrechte müssen noch fit für die Zukunft gemacht werden.

Wenn sie es sehen und damit kein Geld verdienen wollen, dann dürfen Sie es kopieren. Das ist die Grundidee der Privatkopierfreiheit – verbürgt im Urheberrechtsgesetz und auch grundrechtlich abgesichert. Wenn es nicht bloß um Spaß, sondern auch politische oder wissenschaftliche Inhalte geht, geht es nicht um weniger als die Demokratie. Übrigens haben Sie dafür bezahlt – beim Kauf von Geräten, die Kopieren können, zahlen sie schon beim Kauf vorab auch eine Kopiergeräteabgabe, die den Künstlern und Werkschaffenden zu Gute kommen soll. Soweit zum Recht.

Wenn man für jemand anderen eine Kassette aufnahm, ging es aber eigentlich weniger um die Weitergabe des Nutzungsrechts, als vielmehr um eine zwischenmenschliche Erklärung. Selbst man jemand etwas leiht, dann zeigt man Vertrauen. Dies würde verlorengehen, wenn man die Institute der Privatkopierfreiheit und der Verkörperten Nutzungsrechte nicht weiter pflegt.

Teilen ist nicht schenken – schenkt wieder. Wir haben unseren Lieben Kassetten aufgenommen und CDs gebrannt, um sie zu verschenken. Freunden lieh man halt CDs. Ne Kassette mit selbstgemaltem Cover ist was anderes, als ein Link auf eine Onlinebibliothek oder Datenbank. Sowohl der einfache Zugang zu Inhalten als auch die emotionale Komponente des Privatkopierens und des Werkeverleihens, mögen weiter gelebt werden.

Datenschutz – Ein Überblick

Heute wissen wir, dass „Datenschutz“ ein Menschenrecht ist.

Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten, Art. 8 Abs. 1 CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION.

Unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

(BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 -, – 1 BvR 269/83 -, – 1 BvR 362/83 -, – 1 BvR 420/83 -, – 1 BvR 440/83 – und – 1 BvR 484/83 -, Leitsatz 1)

DSGVO, BDSG und Co. sind also gar nicht so kompliziert.

§ 126a beA – Digtal unterschrieben

Vorwärts in die Vergangenheit statt zurück in die Zukunft? Die Möglichkeit des elektronischen Signierens ist seit dem 1. August 2001 gesetzlich vorgesehen. Seit dem 01. Januar 2022 müssen* Rechtsanwälte Klagen elektronisch „unterschrieben“ bei Gericht einreichen. Eine grundlegende Einordnung und praktische Vorschläge. (Mit Klarstellungen vom 11. Januar und 14. Februar 2023.)

Die rechtswissenschaftliche Diskussion um die digitale Unterschrift ist von Fragen um die Nutzungspflicht am besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) nach § 130d ZPO geprägt. Eine rote Linie zieht sich durch die deutsche Diskussion: Deutschland muss digital. Viele Antworten lauten daher: Pflicht! Eine grundlegende Analyse von Kommunikation führt hingegen zu den Antworten: Qualität. Innovation!

Eine Entwicklungsgeschichtliche Einordnung

Man unterschreibt eine Nachricht an einen anderen Menschen, damit klar ist, von wem die Nachricht ist.

Von einem Umschlag geschützt ist eine Nachricht ein Brief, also Post. Wenn als Postboten Elektronen und Lichtblitze auf den Übermittlungswegen Kupferkabel oder Glasfaserlichtleiter eingesetzt werden, ist es Telekommunikation.

Soweit, so selbstverständlich. Diese Einordnung bleibt wichtig für Fragen von Zuständigkeit (in der Gesellschaft) bis hin zum Qualitätsmaß.

beA als Innovation in Sachen Telekommunikation und Schreibwaren

Die Schriftform (§ 126 BGB) findet im Internet ihr Äquivalent in § 126a BGB. Für den Zivilprozess finden die entsprechenden Regelungen sich in §§ 253, 130 bis 130d ZPO. Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein.

Die Rechtsanwaltschaft verfügt über ein entsprechendes elektronisches Postfachsystem für Schriftnachrichten: das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA).

beA als besserer Stift?

Alle Formvorschriften – so auch § 126a BGB – haben jedenfalls die Zwecke Warnfunktion und Beweisfunktion. Die Parteien sollen sich der Bedeutung des Geschäfts bewusst werden. Zur Geltendmachung von Forderungen aus dem Vertrag soll die Person des Unterzeichnenden durch die eigenhändige Unterschrift (beziehungswiese im Rahmen des § 126a durch eigenhändige Signaturhandlung) nachvollziehbar sein. Bei §§ 253, 130 bis 130d ZPO geht es nur um Echtheitsverifikation.

Die Signierungsdatei befindet sich auf der Chipkarte. Die persönliche Eingabe einer PIN erfolgt eigenhändig.

Die Technik hinter beA ist nicht neu. Die Chipkartentechnologie stand bei Einführung des § 126a BGB bereits zur Verfügung. Sie wurde schon um das Jahr 2000 beispielsweise von Steuerberatern für die Kommunikation mit ihren Mandanten eingesetzt. Die Wirtschaft hat sich schon seinerzeit selber entwickelt, wozu ein Bedürfnis bestand.

Signatursoftware hat geringen Speicherbedarf und passt auf alle gängigen Chipkarten. Entsprechende Chips befinden sich heute beispielsweise auf Personalausweisen oder Bankkarten. Technisch ist es heute grundsätzlich möglich, mehrere unterschiedliche Signaturanwendungen auf einer Karte zu speichern.

Die Signaturtechnologie auf Datenträgern geringer körperlicher Größe (beispielsweise Chipkarten) ist bekannt und altbewährt. Sie kann in die gängigen E-Mail-Postfächer integriert werden. Praktisch wäre ein AddOn für Thunderbird und andere gängige Browser (oder gar im Schreibprogramm), mit dem man E-Mails signieren kann. Nächster (Teil-)Schritt wären Dateien, die die eigenhändige Unterschrift gemäß der Schriftform des § 126 BGB dokumentieren. Entsprechende „Echtzeit“-Displays sind noch in Entwicklung.

In entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht ist die Signaturtechnologie auf Chip unfertig. Sie ist nicht der (vollständige) Entwicklungsschritt. Die Unterschrift auf Papier dauert keine Sekunde. Die Kosten für elektronisches unterschreiben sind insgesamt noch höher. Von Stift und Papier sind elektronische Signaturen weit entfernt.

§ 126a BGB und auch Signatur mit anderen Mitteln als der bloßen Hand sind nur eine technische Notlösung, bis elektronisches Papier (also entsprechend hochauflösende Bilddateien angezeigt auf Displays wie eInk und ohne zeitlich mit dem menschlichen Auge wahrnehmbare Verzögerungen) verfügbar ist.

In der Kategogie „Unterschrift“ sind § 126a BGB und beA also nicht fertig. Sobald diese Technik vorliegt, sind § 126a BGB und beA obsolet.

Update 11. Januar 2023: Neue eInk Schreibblöcke

Elektronische Schreibblöcke wie der reMarkable (https://remarkable.com/store/remarkable-2) kommen aktuellen Presseberichten zufolge Schreiben auf Papier schon fast gleich. Entsprechende technische Komponenten für Geräte, auf denen Dokumente im A4-Format zur Unterschrift vorgelegt werden können, sind also in Sicht.

beA als schnellerer Brief.

Der Übmittlungsvorgang selbst funktioniert in Lichtgeschwindigkeit. Post- und Bürohilfskräfte sind einerseits durch elektronische Arbeitsschemen (Ausführungsdateien und „Bots“) und andererseits Elektronen und Lichtblitze ersetzt. Die Innovationsmacht Wirtschaft auf einem freien Markt ist hier schon lange fertig. Eigentlich macht Wirtschaft Produkte – weil sie Innovation kann.

Rechtlich ist elektronische Übermittlung ohne Nachteil. Das dem Postgeheimnis entsprechende Fernmeldegeheimnis und das Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung sind verbürgt und selbstverständlich. Die Verfassungen gewährleisten diese Grundrechte. Die einfachen Gesetze haben dem zu folgen. Schnüffeln ist damit wirksam untersagt. Wer Angst vor bösen Mädels und Buben hat: Schwere Straftaten können nach der StPO und nach richterlicher Anordnung mit Wirkung für die Zukunft verfolgt werden.

beA als Briefkasten

In Sachen Allgemeinheit und Reichweite sind die Postfächer der Juristen (die Justiz und die Behörden haben eigene dem beA entsprechende Telekommunikationssysteme) begrenzt. Elektronische Post funktioniert eigentlich erst richtig, wenn alle ein entsprechendes Postfach haben.

Fazit

Innovation wird eigentlich in der Wirtschaft gemacht. Telekommunikation machen eigentlich die Telekommunikationsunternehmen. Briefe in Lichtgeschwindigkeit gibt es seit der E-Mail-Technologie. Um überzeugend zu sein, ist E-Mail genau so frei von laufenden Kosten wie ein Briefkasten. Das war ein erfolgreicher Entwicklungsschritt.

Dass der Rechtsverkehr Bedürfnis und Bedarf an elektronischer Unterschrift hat, ist mit der Einführung des § 126a BGB zum 01. August 2001 sogar statuiert. Die Vorschriften zum beA muten teilweise wie technische Anforderungen zu § 126a BGB an. Die Rechtsfragen, die die Gerichte zum beA klären, sind vielfach auch Antworten zu § 126a BGB. Die Ergebnisse stimmen vielfach mit der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, beispielsweise zur Abgabe und zum Zugang von Willenserklärungen, überein.

* (selbstverständlich) vorbehaltlich der Verfassungskonformität. Es kann einem Anwalt wohl zugemutet werden, eine Durschrift einer ohnehin digital vorhandenen Klageschrift nachzureichen. Ferner sollte beA die Möglichkeit schaffen, digitale Beweismittel auch mittels Telekommunikation einzureichen – statt nur per Post auf körperlichem Datenträger. Darum ging es bei der Idee des beA und dies ist sein Zweck.

Plötzlich digital

(Bundes-)Gesetze sollen ab dem 01. Januar 2023 nur noch digital verkündet werden

„In der letzten Sitzung des Jahres 2022 absolvierte der Bundesrat noch einmal ein umfangreiches Programm. Er billigte 31 Gesetze, die teils erst wenige Stunden zuvor vom Bundestag verabschiedet worden waren.“ verkündet der Bundesrat anscheinend nicht frei von Stolz (bundesrat.de). Wenn man dann weiter auf den Link „Zur vollständigen Tagesordnung“ klickt, findet man unter Tagesordnungspunkt TOP 1a das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 82). Dort wird bestimmt: „Das Bundesgesetzblatt kann in elektronischer Form geführt werden.“ Weitere 4 Tagesordnungspunkte tiefer findet man ferner dazu TOP 1b Gesetz zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens, mit dem das Verkündungs- und Bekanntmachungsgesetz geändert wird. Danach soll das „Bundesgesetzblatt ab dem 1. Januar 2023 ausschließlich elektronisch auf einer neuen Verkündungsplattform im Internet ausgegeben“ werden.

Eine entsprechende Plattform gibt es übrigens schon seit Jahren – so lange, dass ich mich nicht einmal daran erinnern kann, seit wann es sie gibt – Bundesgesetzblatt.de oder auch BGBl.de. Die neue Plattform www.recht.bund.de scheint eher für die Ansicht auf Taschencomputern optimiert zu sein. Die bewährte Seite www.gesetze-im-internet.de funktioniert sowohl am Schreibtisch als auch auf mobilen Unterhaltungsgeräten gut.

Digitale Recherche ist für den schnellen Zugang ganz praktisch. Gesetze und Urteile, mit denen ich mich genauer oder wissenschaftlich befassen muss, werde ich auch künftig ausdrucken. Dies ist der konzentrierten Arbeit äußerst zuträglich. Dass mir Gesetze, Urteile und Kommentare, mit denen ich regelmäßig arbeite, als Buch oder Druck vorliegen, bleibt selbstverständlich.

Weiterhin plädiere ich für eine Digitalisietung, die Angebote macht, ohne auszuschließen; die gibt, ohne zu nehmen. Ich verstehe unter Digitalisierung einen zusätzlichen Service, statt bloßem Outsourcing.

Recht übersichtlich: Strafen

Politiker riefen nach neuen Straftatbeständen. Wider dem Aktionismus!

Kunstwerke wurden beschädigt und teilweise gar zerstört. Tomatensauce kriegt man vielleicht noch von Acrylgemälden ab. Ein mit Temperafarben gemaltes Gemälde zu restaurieren dürfte schon schwieriger sein. Kartoffelbrei unter dem Vorsprung eines Reliefs aus Ölfarbe hervorzuholen – das wäre jedenfalls anspruchsvolle Restaurationsarbeit, die ziemlich lange dauern könnte. Egal, oder wie wir (Zivil-)Juristen sagen: Unerheblich. Sowohl Beschädigung oder Zerstörung eine fremde Sache sind als Sachbeschädigung strafbar. Nur weil van Gogh gerne mit Öl gemalt hat, ist nicht wirklich ersichtlich, welcher (politische Zweck-)Zusammenhang mit dem Klima von heute besteht. Ein (straf-)rechtlicher Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund ist nicht ersichtlich. Wozu also Strafbares noch strafbarer machen? Wirklich abschreckend hoch sind die zivilen Schadensersatzforderungen für fachgerechte Restauration.

Verharmlosen von Kriegsverbrechen ist sicher nicht nett. Aber handelt es sich um strafwürdiges Unrecht (so der Fachterminus der Strafjuristen)? Muss man damit einen Polizisten, einen Staatsanwalt und einen Amtsrichter befassen? Oder reicht es einfach zu sagen „Halt dat Schnütchen.“? Gammelig wirken Strafrechtsverschärfungen, wenn ihnen keine breite Diskussion unter den Einwohnern vorausgegangen ist. Es jedenfalls kein feiner Stil, wenn man heftige Strafrechtsverschärfungen mal so by the way in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren einschiebt. Ich persönlich brauche keine Straftatbestände, um Mitmenschen zu entlasten, die Kriegslautsprechern nicht die Meinung zu sagen.

Es ist tragisch, wenn einem verletzten Menschen nicht schneller geholfen werden kann, weil das Rettungsfahrzeug im Stau steht. Noch tragischer wäre es, wenn in diesem Zusammenhang ein Mensch verstirbt. Aber: Fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Tötung sind schon strafbar. Das sind auch nicht so neue Tatbestände, das Richter damit nicht umgehen könnten. Man wird klären, wer, wo und wann welchen Fehler gemacht hat, welche Folgen vorhersehbar waren und ob ein Zusammenhang zwischen Fehler und Folgen für die Betroffenen bestand. Rechtsstaat wird in der Umgangssprache oft missverstanden: Beim Rechtsstaat geht es nicht ums Strafen, sondern um die sorgfältige Prüfung, ob man einen gerechten und nachweisbaren Vorwurf macht.

Das Tragen von Masken ist übrigens eigentlich strafbar. Dies gilt nicht nur auf Versammlungen. In Betracht kommen je nach Einzelfall auch Bedrohungs- und Nötigungsdelikte. Auch die begangenen Körperverletzungs- und Beleidigungsdelikte sind bereits strafbar. Wo bleiben die Anklageschriften gegen die stolzen, gewaltbereiten Maskierten, die durch unsere Züge marschierten? Warum erklären unsere Lehrer unseren Jugendlichen nicht, was es für einen Menschen bedeutet, von einem Maskierten betroffen zu sein?

Den aktuellen Vorschlägen zur Strafrechtsverschäfung kann man sämtlich attestieren: Wohl nur zur Werbung potientieller Wähler sinnvoll – je nach dem, von wem man so gewählt werden will. Recht überflüssig. Das Strafgesetzbuch ist von 1871 – es ist übrigens 2022.

Garantie im Angebot

Internethändler müssen Verbraucher nicht näher über die Herstellergarantie für ein angebotenes Produkt informieren, wenn die Garantie kein zentrales Merkmal ihres Angebots ist (BGH, PM Nr. 158/2022).

Beim Kauf der meisten Sachen haftet der Händler für 2 Jahre für Mängel am Verkaufsgegenstand (andere Fristen gelten beispielsweise für Bauwerke oder Musikdateien). Daneben bieten viele Hersteller Garantien, teils zu besseren Bedingungen (wie längerem Zeitraum), teils zu schlechteren Konditionen (wie Einschränkungen des Umfangs der Haftung) an.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, wann Verkäufer selber über eine Herstellergarantie informieren müssen. Der Bundesgerichtshof teilt damit die Ansicht des EuGH, die letzerer auf die Vorlagefrage des BGH beantwortet hat (siehe bereits mein Beitrag vom 06. Mai 2022).

Die hohen Gerichte stellen damit dem Rechtspraktiker umsetzbare Grundsätze zur Verfügung, wie ein Angebot zum Verkauf von Waren fair ausgestaltet werden kann. Im Einzelfall gilt: Fragen Sie Ihren Rechtsanwalt.