Das Doppelbestrafungsverbot („ne bis in idem“) und die Rechtskraft des Urteils (insbesondere des Freispruchs) sind in mehreren Vorschriften der Verfassung festgeschrieben. Kann die „materielle Gerechtigkeit“ dies überweigen? Nein, wir brauchen § 362 Nr. 5 StPO nicht.
in dubio pro reo
Unser Strafprozessrecht muss nach wie vor die „selbstverständliche Wertung zum Ausdruck [bringen], dass die Verurteilung eines Unschuldigen das gerechtigkeitsempfinden in einem ungleich höheren
Maße verletzt als der Freispruch eines (möglicherweise) Schuldigen aus Beweisgründen.“
Die Beweislast des Staates im Strafverfahren
„Ist der Staat für die Erreichung des Prozesszwecks im Grundverfahren zuständig, so ist es billig, ihm und nicht dem Verurteilten bzw. Freigesprochenen im Wiederaufnahmeverfahren die Verantwortung für eine Nichterreichung des Verfahrensziels zuzurechnen (Prinzip der asymmetrischen Prozessrisikoverteilung). Dies gilt umso mehr, als der Freispruch eines Schuldigen mangels Beweises im Gegensatz zur Verurteilung eines Unschuldigen kein Fehlurteil ist.“
Im Ergebnis
„Die Bundesrechtsanwaltskammer gelangt zu dem Ergebnis, dass § 362 Nr. 5 StPO einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhält.“
(aus der Stellungnahme Nr. 14 der Bundesrechtsanwaltskammer von März 2022)